T16

Kapitel 16.0. im Jahr 2009

Januar 2009

Das Neue Jahr 2009 beginnt freundlich und wird von Balu zu jedem Silvesterknaller freudig bellend begrüßt.

Ein schwarzer Tag

Doch dann kommt mit dem Mittwoch, den 7.Januar, ein Tag, den ich so schnell nicht vergessen werde.

Ich mache mit dem Pferd Boomer und Balu mal wieder einen unserer wöchentlichen Ausritte in die Berge.
Balu läuft inzwischen jede Strecke wieder problemlos mit, ohne später Probleme mit dem Aufstehen zu haben.
Ich wähle diesmal eine wunderschöne, zwar weite, aber nicht so anstrengende Tour, die nach kurzem Aufstieg fast nur horizontal durch herrliche Täler und Schluchten an den Berghängen entlang führt.
Es ist mit nur 9 Grad zwar kühl hier oben in den Bergen, doch ich bin warm angezogen, und den Tieren macht es bei diesen Temperaturen Spass, sich zu bewegen, schnell zu traben und zu galoppieren.
Als ich auf diesem einsamen Weg kurz vor dem Gipfelpunkt bin, halte ich an, weil ich merke, dass Balu zurückgeblieben ist.
Kurz zuvor hatte ich beobachtet, wie er aus einigen Pfützen getrunken hatte und sich sogar hineingelegt hatte, um sich etwas abzukühlen. Das macht er unterwegs immer gern, wenn er die Gelegenheit dazu hat.
Es hatte am Tag zuvor geregnet, so dass auf diese Weise Pfützen entstanden waren, was ja hier nicht so oft vorkommt. Das Wasser sickert normalerweise immer sehr schnell wieder weg.
Komischerweise hatte ich diesmal ein ungutes Gefühl, als Balu aus dieser grossen Pfütze trank. Um das Trinken zu verhindern, rief ich ihn und galoppierte schnell los, um ihn zu animieren, schnell mit mir mit zu laufen. Das klappte auch.
Doch da dieser Weg sehr kurvig war, merkte ich erst nach einer Weile, dass Balu nicht mehr hinter mir war.
Ich wartete also auf ihn.
Doch als er um die Ecke bog, kam er nur ganz langsam näher. Ich sah, dass er beim Gehen taumelte und unglaublich vielen weissen Schaum vor dem Maul hatte, der in grossen Flocken auf den Boden tropfte.
Erschrocken stieg ich vom Pferd, und als er mich schwankend erreicht hatte, stützte er sich an meinen Beinen ab, und ich sah, dass er am ganzen Körper heftig zitterte.
Er hat sich vergiftet, schoss es mir sofort durch den Kopf. In der Pfütze war Gift!
Und mein zweiter Gedanke war:
Und das ausgerechnet hier oben in der Wildnis auf einem unwegsamen Weg, auf dem kein normales Auto zu Hilfe kommen kann.
Was mache ich jetzt?
Ich beobachtete Balu einen Moment, um sicher zu sein, dass er nicht nur einige Dornen von den Brombeerranken verschluckt hatte, die er sich immer selbst aus dem Fell zieht, wenn sie an ihm hängen bleiben.
Irgendwie hoffte ich, es möge doch nichts Ernsthaftes sein.
Doch im Grunde wusste ich, dass ich mir etwas vormachte.
Ich griff zwar schnell in sein Maul, um nachzuforschen, ob sich irgend etwas dort befand, was nicht hingehörte. Doch natürlich fand ich nichts.
Balu schluckte ständig und machte Trinkbewegungen mit der Zunge. Es sah so aus, als ob er nach Luft schnappen würde. Seine Augen waren knallrot und auch der ganze Gaumen und der Maulbereich waren feuerrot. Dazu der unglaublich viele weisse Schaum, der ständig aus seinem Maul heraus tropfte.
Balu wirkte wie weggetreten, wusste nicht, was mit ihm geschah und schwankte in Richtung Abhang, und versuchte dort zu scharren und zu graben.
Ich hatte Sorge, dass er mir hier abstürzen würde und aus dem Gestrüpp am Abhang könnte ich ihn kaum noch herausholen. So liess ich ihn sich erst einmal neben mich hin legen.
Ich versuchte nun, per Handy meinen Mann zu erreichen, der sich aber ausgerechnet an diesem Tag sehr weit weg von uns zu einem Einkauf in der entfernten Stadt Santa Cruz aufhielt.
Zu meiner grossen Erleichterung hatte ich an dieser Stelle Empfang.„Ich stehe hier mitten im Wald und Balu stirbt!“ konnte ich Wolfgang mit wenigen Worten klarmachen.
Er reagierte wie immer sofort und versprach, sich sofort auf den Weg zu machen, um in meine Richtung zu kommen.
Doch mir war klar, es würde mindestens eine Stunde dauern.
Ob die Zeit ausreichen würde, um Balu noch zu retten?
Der entscheidende Punkt bei Vergiftungen ist der Zeitfaktor.
Das war mir nur zu bewusst!
Balu musste schnellstmöglich eine Behandlung bekommen, das stand fest, sonst würde er unweigerlich sterben.
Also rief ich als Nächsten Manolo an, den Besitzer des Reitstalls. Als ich ihm die Symptome von Balu schilderte, erkannte auch er diese sofort als die einer Vergiftung und versprach, das entsprechende Gegengift zu besorgen und dann zu mir zu kommen.
Ich sollte dort bleiben, wo ich war.
Ich war so heilfroh, hier eine Telefonverbindung zu haben, denn das ist in den Bergen selten der Fall!
Es war mein Glück, dass ich mich an einer hohen Stelle mit Blickrichtung auf die Küstenregion befand.
Doch ich konnte nicht an dieser Stelle stehen bleiben, wie es Manolo wollte.
Denn mir war klar, dass man nicht mit einem normalen Auto diese schlechten Wege bis zu meinem Standort fahren konnte.
Ich wusste genau, wo ich mich befand und dass ich noch ca. 1/3 dieses gesamten Bergweges bergab gehen musste, bis ich auf eine mit dem Auto besser befahrbare Strasse treffen würde.
Ich musste also versuchen, diese zu erreichen.
So lockte ich Balu, der mir schwankend und zittern langsam schleichend folgte, ganz allmählich den Berg hinab.
Ich flehte ihn an, durchzuhalten und lobte ihn ständig.
Ich wagte kaum, Pausen zu machen, um keine Zeit zu verlieren und um zu verhindern, dass er sich in die Büsche des steilen Abhanges verkriechen würde.
Ich würde ihn, wenn er da hinunterfallen würde, nie aus dem Gebüsch wieder hochbekommen.
Ich überlegte auch einmal kurz, ihn auf mein Pferd zu legen, doch ich müsste ihn erst einmal da hoch hieven, und er wiegt immerhin 38 kg. Und dann hatte ich auch nichts dabei, womit ich ihn hätte festbinden können. Und wenn er von dem doch recht grossen Pferd Boomer herunterfallen würde, könnte er sich zu schwer verletzen, da er im Moment keinerlei Reaktionsfähigkeit mehr besass. Also strich ich diese Idee wieder aus dem Kopf.
Immer wieder versuchte ich in gewissen Abständen telefonisch Kontakt zu den beiden Männern zu halten, doch leider hat man in den Bergen selten eine gute Verbindung, meistens keine.
Ich registrierte zwar einige Anruf-Versuche, doch meistens konnte ich nur wenige Worte verstehen.
Aber immerhin erhielt ich zwischendurch von Manolo die Nachricht, dass er mit seinem Auto dem Weg, den ich geritten war, gefolgt war. Er hatte also meine Beschreibung verstanden, wo ich mich befand.
Doch dann kam die Nachricht, dass irgend etwas an seinem Auto kaputt sei und er nicht weiter fahren könnte.
Ich sollte den Weg zu ihm zurück kommen.
Doch mir war klar, dass das viel zu weit war.
Das würde Balu nie schaffen.
Ich musste versuchen, den Hund auf diesem Weg, auf dem ich mich jetzt befand, zu der tiefer gelegeneren Strasse zu bringen, die mit dem Auto befahrbar war.
Mit Wolfgang hatte ich inzwischen an der Stelle einen Treffpunkt ausgemacht, wo mein Weg auf diese befahrbare Strasse trifft.
So schlichen Balu und ich mit Boomer am langen Zügel weiterhin gemeinsam langsam den Berg hinab.
Immer wieder flehte ich Balu an, durchzuhalten und lockte ihn mit aufmunternden Worten weiter und weiter. Und er kämpfte tapfer, mit mir Schritt zu halten.
Meine grösste Sorge war, dass er nicht mehr weiter laufen könnte. Tragen konnte ich den 38 kg schweren Hund sicherlich nur ein kurzes Stück. Ich mochte gar nicht darüber nachdenken!
Zum Glück entstand diese Situation aber nicht.
Nach gut einer Stunde, wie ich schätzte, erreichten Wolfgang mit dem Auto und ich mit den Tieren gleichzeitig die Stelle, wo wir uns treffen wollten.
Wolfgang rief gerade lautstark nach mir, wo ich sei, als ich um die Ecke in sein Blickfeld kam.
Ich atmete tief auf!
Es war das absolute Timing!
Balu lebte noch, doch es war grauenvoll, ihn leiden zu sehen.
Halb kroch er, halb hoben wir ihn ins Auto.
Erneut konnte ich von diesem Standort aus telefonischen Kontakt zu Manolo aufnehmen, der es inzwischen mehrfach vergeblich versucht hatte, mich zu erreichen.
Ich erklärte ihm nun, dass ich den gleichen Weg, den ich bis hierher gegangen war, mit dem Pferd zurückreiten würde, um dabei auf ihn zu treffen, um von ihm das Gegengift, das er besorgt hatte und mit sich führte, in Empfang zu nehmen.
Dann wollte ich weiter zur nächsten Kreuzung reiten, an der Wolfgang mit Balu auf mich warten sollte, um ihm dort das Mittel spritzen zu können.
Ich sauste also, so schnell es um die vielen Kurven ging, mit dem Pferd im Trab und Galopp die ganze lange Bergstrecke zurück.
An einer Stelle entdeckte ich die Spuren eines Autos, das vor einer steilen Wegstrecke umgekehrt war.
Also hatte Manolo sein Auto wieder in Gang gebracht, ging es mir durch den Kopf.
Schliesslich erreichte ich fast das Ende der Bergstrecke und sah plötzlich in der gegenüberliegenden Kurve die Bewegung eines Autos, und es wurde gehupt.
In diesem Moment schrillte mein Handy. Das konnte nur Wolfgang sein, dachte ich und sauste weiter auf das Auto zu, das in der Kurve stand.
Es war Wolfgangs Auto, das wir, Boomer und ich, beide dampfend und schwitzend, erreichten.
Wolfgang war ganz überrascht, als ich so plötzlich mit dem Pferd vor dem Auto stand.
Er hatte nicht erwartet, dass ich mit dem Pferd so schnell an diesem Ort sein könnte.
Er war mit dem Auto auf der unteren kürzeren und besseren Strasse kaum schneller gewesen als wir auf dem oberen Kurvenweg.
Gerade erst vor wenigen Augenblicken hatte er Manolo getroffen, der mit seinem Auto zum Glück wieder hatte umdrehen können.
Ich hatte ja die Reifenspuren gesehen und erkannt, dass man an dieser Stelle über die Felsbrocken nicht mit dem Auto weiterfahren konnte.
So war sein Auto also zum Glück nicht so kaputt, dass man nicht mehr damit fahren konnte.
Manolo war also nun den Weg zurückgefahren und Wolfgang war ihm von der Kreuzung aus, an der er eigentlich auf mich warten sollte, entgegen gefahren.
So hatten sich die beiden Autos auf dem schmalen Weg sehr schnell getroffen.
Manolo hatte Balu nun schnell die zwei mitgebrachten Ampullen des Gift-Gegenmittels gespritzt und war nun bereits auf dem Weg zurück zu seinem Reiterhof Mamio Verde.
Und noch ein Schreck sass Wolfgang in den Knochen, denn er hatte kurz zuvor beinahe einen Zusammenstoss mit Radfahrern gehabt, die ihm mit vollster Geschwindigkeit den Berg hinab auf dem Weg entgegengekommen waren.
So hatte er danach vorbeugend vor jeder Kurve gehupt, um nicht noch einen Unfall mit mir oder weiteren Radfahrern zu riskieren, und dieses Hupen hatte ich ja dann auch gehört.
Beim Umkehren auf diesem schmalen Bergweg bekam unser Auto dann noch einige Kratzer ab, denn für derartige Manöver ist auf diesen schmalen Wegen eigentlich kein Platz!
Doch was tut man nicht alles für „sein Kind“! meinte Wolfgang später nur trocken.
Er fuhr nun weiter zum Tierarzt, was aber auch noch gut eine halbe Stunde dauern würde, bis er von den Bergen hinab ins Tal in den Ort Puerto de la Cruz gelangen würde.
Doch ich konnte nun auch beruhigt und langsamer den Berg hinab nach Hause reiten, denn mehr konnte ich jetzt für Balu nicht tun.

Unterwegs erreichte mich dann wieder Wolfgangs Anruf.
Der Tierarzt wollte wissen, welches Medikament dem Hund gespritzt worden war.
Also rief ich wieder Manolo an, der wiederum auch nachfragen musste. Wir klärten dann telefonisch nach einigem Hin und Her, dass es Atropin war, und der Tierarzt behandelte Balu mit Atropin und einer Infusion von diversen weiteren Mitteln weiter.
Es war genau goldrichtig gewesen, was er bekommen hatte.
Nur die Dosis musste noch erhöht werden.
Ich war so glücklich, denn Manolo hatte einfach super reagiert.
Er hatte sofort nach meinem Anruf das Mittel von Jägern, die in der Nähe wohnen, geholt, denn er wusste, das diese das immer bei sich haben, weil immer wieder auch einige ihrer Jagdhunde dieses Gift fressen und sie diese dann schnell retten müssen.
So hatten wir Zeit gewonnen! Die Zeit, die ihm vermutlich das Leben gerettet hat.

Ich erreichte den Reiterhof erst im Dunkeln, doch das war mir egal.
Ich rief direkt wieder Wolfgang an, wie es aussehen würde, und der berichtete mir, dass es Balu bereits viel besser ginge.
Er würde nicht mehr zittern und insgesamt ruhiger wirken.
Später war mir klar, warum.
Natürlich hatte der Tierarzt Diazepam zur Beruhigung gespritzt und natürlich auch nach und nach mehr Atropin gegeben.
Für Hunde, las ich dann nach, kann man bis zur Höchstdosis von   0,5 mg Atropin pro kg Körpergewicht geben. Das wären 19 Ampullen zu 1 mg gewesen.
Balu hatte insgesamt 10 bekommen, aber eben nach und nach. Das hatte zum Glück ausgereicht.
Gut eine Stunde hing der arme Kerl am Tropf, während Wolfgang geduldig neben ihm stand und auf ihn aufpasste.
Dann durften beide nach Hause gehen.
Ich war gerade daheim eingetroffen, als auch Wolfgang mit Balu ankam.
Balu suchte mich sofort nach dem Eintreffen im Haus, und als er mich entdeckt hatte, war er glücklich und legte sich gleich müde und glücklich neben mich hin.
Diese enge Bindung ist für mich immer wieder faszinierend und natürlich auch überaus beglückend.

WT-2009-02-21-F

Ja, so war es noch einmal gut ausgegangen.
Sehr häufig sterben die Tiere nach Aufnahme des Giftes bereits nach 15 bis 30 Minuten, spätestens nach 1 Stunde.
Vermutlich hatten wir Glück, weil Balu vielleicht nur wenig Gift aufgenommen hatte, er so ein grosses, kräftiges Tier ist und weil Manolo so schnell das Gegenmittel gespritzt hatte.
Egal warum, Hauptsache, es hatte funktioniert.
Manolo erzählte mir später noch, dass hier auf der Insel viele Giftköder ausliegen, um u.a. auch die Anzahl der Kaninchen zu dezimieren. Leider wird hier auch Rattengift immer sehr unvorsichtig ausgelegt,- quasi einfach so hingestreut!- und es werden auch viele Insektizide und Pflanzenvernichtungsmittel recht freizügig verwendet.
Es sind schon sehr viele Hunde und Katzen an diesen Giften verendet, dass weiss ich von vielen Bekannten auf der Insel.

Wenn ich jetzt von Balus Vergiftung berichte, dann kann mir fast jeder dazu auch eine Geschichte erzählen.
Es ist einfach erschreckend!
Auch Manolo erzählte mir, das er seine Presa-canaria-Hündin, die Mutter seines Rüden Jerry, einmal hat retten können, als sie Gift gefressen hatte, doch ein zweites Mal kam er zu spät.
Gift ist so etwas Grauenvolles!
Man kann es gar nicht verstehen, dass damit so locker umgegangen wird, dass sogar Kinder hier Vergiftungen erleiden, weil sie die bunten Tütchen Rattengift als Bonbons ansehen.

Ich wünsche Niemandem, dass er so etwas erlebt, wie ich es erlebt habe oder dass sein geliebtes Tier oder sogar Kind! gar nicht mehr gerettet werden kann und am Gift zugrunde geht.
Es ist einfach furchtbar!

Am nächsten Tag bekam Balu noch einmal eine Portion Medikamente in Form einer Infusion und zusätzlich ein weiteres Leberschutzpräparat für die nächsten 20 Tage.
Wir können nur hoffen, dass Balu keine bleibenden Schäden davongetragen hat.
Es kann aber durchaus sein, dass das Gift durch seine angerichteten Schäden an den Organen sein Leben etwas verkürzen könnte.
Geniessen wir es also noch gemeinsam, und freuen wir uns, dass dieser Goldjunge und Glückspilz noch bei uns ist!
So sehen wir das im Moment!

2009-01-27-c
zum
Inhaltsverzeichnis
weiter

.