T047

Kapitel 4.7.

  • Eine lange Bahnfahrt


Eine große, lange Reise zu meiner Mutter und meinem Bruder ist geplant. Ich will wegen der schlechten Wetterverhältnisse lieber mit der Eisenbahn fahren.

Und Balu S. kommt natürlich mit!

Von Koblenz nach Hamburg sind es 5 Stunden, dann eine Stunde Aufenthalt und dann noch eine Stunde weiter bis Bad Schwartau.

Es müsste klappen!

Doch eine Reise mit der Bahn ist immer wieder ein Abenteuer.

Unterwegs gibt es einen unplanmäßigen Halt, weil begeisterte Filmer einer Dampflok die Gleise blockieren.

Aus den anfänglichen 30 Min. Verspätung werden 60 Min.!

Das bedeutet, wir preschen, in Hamburg angekommen, aus der Bahn, rasen in die nächste Bahn, die glücklicherweise auf dem gegenüberliegenden Gleis steht, und sofort geht es weiter.

Das Resultat: Balu S. ist ganze 7 Stunden ununterbrochen mit mir unterwegs, ohne ein Pipi-Päuschen machen zu können.

Mir war schon etwas komisch zumute bei dem Gedanken an die 5 Stunden, doch nun....

Ja, und man kann es nicht glauben:

dieser Hund ist einfach genial. Es war für ihn kein Problem!

Doch nun im Detail:

Bei der Abreise in Koblenz gingen wir zum ersten Mal in ein Bahnhofsgebäude. Balu S. findet alles lustig!

Die vielen Menschen, der Lärm.... alles interessiert ihn. Unternehmungslustig, wie es eben kleine Kinder und kleine Hunde sind.



Da ein Zug bereits auf dem Nebengleis steht, machen wir schon mal in Ruhe ein Beweisfoto.

Dann kommt die Eisenbahn, in die wir einsteigen müssen. Doch die Treppen sind aus Metallgerüsten, durch die man durchschauen kann, die Eingangsöffnung sehr hoch.

Balu S. macht einen riesigen Satz rückwärts, als ich ihn zu diesem Eingang bugsiere.

Wir haben nicht viel Zeit. Ich schnappe mir also den Kerl, hebe ihn hoch und hieve ihn durch den Eingang. Ich und meine Reisetasche hinterher. Schwupps, schon geht die Automatik Tür wieder zu. Mein Mann, der gerade ein Foto von uns machen wollte, schüttelt bedauernd den Kopf. Es ist nur dieses „schnelle“ entstanden. Balu war schon auf dem Weg in den Wagen.



Ja und nun geht die Reise los.

Wir suchen uns ein Plätzchen, und Balu S. sackt sofort schlafend zusammen, so wie er es immer macht, wenn ich mich nicht um ihn kümmere und mich hinsetze.

3 Stunden hält er das gut durch. Dann möchte er gerne etwas unternehmen.

Ich pelle eine Mandarine ab, die wir gemeinsam essen. Unsere Nachbarn, die das amüsiert beobachten, bieten ihm daraufhin Apfel- und Bananenstücke  an, die er gern annimmt.

Dann hole ich den Kauknochen hervor, ziehe ihn spielerisch hin und her, soweit das zwischen den Sitz-Reihen geht und begeistert beginnt er zu kauen. Als es ihm langweilig wird, rege ich ihn erneut zum Kauen an.

So ist er eine halbe Stunde lang beschäftigt. Danach merke ich, dass er Durst hat.

Ich hole meine Wasserflasche hervor, falte meinen kleinen transportablen Wassernapf auseinander und biete ihm Wasser an, das er gerne austrinkt.

Dann legte er sich wieder zum Schlafen hin.

Der rollende Speisewagen zieht auf dieser Reise ganze 6 mal hin und her. 12 mal muss ich Balu S. aufwecken und zwischen meine Beine locken.

Puhhh!!

Wenn man diesen Servicewagen mal braucht, kommt er eigentlich nie vorbei!

Ab und zu kommen auch Reisende mit großem Gepäck, und erneut muss ich Balu S. wegschieben oder weglocken. Dabei bin ich so froh, das er so friedlich schläft.

Hundefreundlich ist so eine Bahn jedenfalls nicht.

Wie gut, das er noch so relativ klein ist!

Bei Mitnahme größerer Hunde muss man dann wohl erst mal bei Harry Potter Zauberlehrling gewesen sein, um seinen Freund kleiner oder gar weg zu zaubern.

Tja, dann kam der Stop in Hamburg. Ob er aus dem Zug aussteigen konnte?

Und er konnte! Mit einem Riesensatz sprang er aus dem Zug!

Und dann wieder in einen neuen hinein! Nein! Das wollte er nicht. Rückwärts war sein Motto, als er merkte, das ich eine offene Tür ansteuerte.

Also: Tasche vorweg geworfen, meinen Hund unter dem Bauch geschnappt und hinterher.

Hier zählten leider Minuten bzw. Sekunden! Die Tür schloss ich automatisch.

Den Passagieren, die kurz nach mir kamen und auch noch mit wollten, wurde leider die Automatiktür nicht mehr geöffnet.

Nicht auszudenken, wenn ich schon drin gewesen wäre und mein Balu noch draußen!

Lieber nicht drüber nachdenken!

Als wir nach besagten 7 Stunden am Ziel ankamen, rasten ich mit meinem Kleinen erst mal ab in die Büsche. Glücklicherweise liegt der Bahnhof am Wald.

Ein riesiger See und das so dringende Häufchen kamen sofort!

Dann ging es ab ins Auto meines Bruders und zu unseren neuen Wohnsitz!

Das war nun gar kein Problem. Er fühlt sich scheinbar überall zu Hause.

Spielen kann man auch überall und schlafen auch.

Wenn er auch den Platz vor der Haustür vorzog!

Die Hunde im Umkreis, mit denen wir beim ersten Spaziergang gleich Bekanntschaft machten, wurden freundlich begrüßt und zum Spiel aufgefordert. Er hatte auch Glück und fand eine Tibet Terrier Hündin zum wilden Spiel bereit.

Am nächsten Tag besuchten wir meine 90jährige Tante, und die noch so ungemein rüstige Dame wurde freudestrahlend mit Küsschen begrüßt, und er ließ sich gerne von ihr kraulen.

Brav blieb er während unseres langen Gesprächs in der Tür liegen und hörte uns zu.

Er hatte uns immer im Auge (oder im Ohr), auch wenn er seine Augen manchmal schloss.

Der Nachmittag war dann auch zu seinem Vergnügen geplant.

Ein Spaziergang am Ostseestrand in Timmendorf, an dem sich alles traf, was Beine hatte.

Alle paar Minuten trafen wir auf Hunde aller Schattierungen. Es war wie auf einer Hundeausstellung. Die seltensten Rassen kamen uns entgegen, dicke, dünne, große, kleine...

über den Bosten Terrier, West Highland White Terrier, Bullterrier, Sennenhund oder Mastiff bis zur Dogge. Alles war vertreten. Dazu die bunte Skala der Mischlinge.

Einer von letzteren, ein großer Collieartiger Typ, war allerdings sehr eklig zu unserem Kleinen. Ganz offensichtlich hatte er Angst vor ihm, zog die Zähne hoch und als Balu S. dann vorsichtig wegging,  jagte er ihn auf einmal weg und biss ihn mehrfach heftig. Balu S. schrie wie am Spieß. Es war das erste Mal, das er so etwas erlebte.

Da ließ der Große endlich ab. Tage später fand ich beim Streicheln den Schorf auf den Wunden. Er hatte unseren Kleinen also doch sehr fest gepackt. Es war also nicht nur ein Schreckensgeheul gewesen, wie es junge Hunde gerne machen.

Wir versuchten nach diesem Zwischenfall schnell, nette Freunde zu finden, und bald war der eklige Genosse vergessen.

Ein Jack Russel hatte es Balu S. besonders angetan. In wilden Kreisen rasten die beiden im Strandsand herum.

Und dann war da noch der nette braune Mischlingshund in seiner Größe, der so gerne baden ging. Und Balu natürlich hinterher, hinein ins Meer!

Ich war froh, dass er nicht so tief hinein ging, dass er schwimmen musste. Wir hatten nämlich keine Handtücher zum Trocknen mitgenommen, und das Wasser war sehr kalt!

Von so vielen tollen Eindrücken und netten Hundebekanntschaften war unser Balu S. dann schließlich geschafft, und so konnten wir, die wir vom nasskalten Wetter etwas durchgefroren waren, zufrieden nach Hause zurückfahren.

Am nächsten Tag ging es dann leider schon wieder ganz nach Hause zurück.

Morgens machten wir noch einen ausgiebigen Spaziergang durch den Ort und das umliegende weitläufige Waldgelände, wobei Balu S. auch wieder in einem riesigen kurzhaarigen Berner Sennenhund und einem Appenzeller- Mix nette Freunde fand.

Allerdings sind Balu S. die großen Hunde immer noch etwas unheimlich. Er spielt lieber mit kleinen Hunden oder denen, die seine Größe haben.

Dann ging es mittags wieder ab in den Zug.

Sein Horror vor dem Einsteigen hatte sich noch mehr gesteigert, und ich konnte ihn kaum noch einfangen, um ihn hochzuheben, als der Zug anhielt.

Die Hektik beim Einsteigen schien ihn sehr zu beeindrucken! Was mich übrigens auch störte!

Ich hoffte, dass ich in Hamburg Zeit finden würde, eine länger stehende Bahn zu finden, wo wir locker ohne Zeitdruck das Einsteigen üben konnten.

Und wir hatten Glück! Unser Zug hatte Endstation in Hamburg HBF.

Also erst mal raus aus dem Zug! Mit einem Riesensatz Balus!

Ich stellte meine Tasche ab, und dann ging ich mit einem Leckerchen bewaffnet zurück zum Zug. Balu ging nur zögernd mit. Doch jetzt hatte ich ja Zeit. Schritt für Schritt belohnte ich sein Näherrücken an den Eingang der Bahn. Dann stellte ich mich auf die Stufen und lockte ihn näher heran. Ja, und da wurde er auf einmal mutig und sprang hinein!

Ich jubelte begeistert! Ging hinterher, und wir tobten kurz.

Dann ging ich wieder hinaus und Balu mit dem gewohnten Riesensatz hinterher.

Raus und rein, hin und her sprang er nun wie ein kleines Teufelchen!

Und es gab immer tolle Belohnungen.

Das war geschafft!!!

Den Aufenthalt  in Hamburg nutzen wir zum Spielen, - ich hatte ja sein Spielzeug dabei- und dann wanderten wir auch zwischen den vielen Menschen herum.

Balu fand das alles toll! Schwanzwedelnd trabte er neben mir her.

Ich habe immer den Eindruck, dass er umso lustiger wird, je mehr los ist.

Dieses Verhalten kannte ich von meinem ersten Briard Cadou, der auch Menschenansammlungen  und Städtegänge so liebte und dann erst richtig mobil wurde.

Vielleicht doch ein Ur---ur-Erbe???

Nun warteten wir auf unseren letzten Zug Richtung Heimat. Große Menschenmengen warteten mit uns, auf dem Bahnsteig wurde es immer enger.

Als der   Zug einfuhr, gab es schnell große Menschen-Trauben vor den Eingängen. So hatten wir mehr Zeit, vor dem Zug zu stehen als bisher, und Balu S., der zuerst wieder sehr ängstlich und unsicher an der Leine hin und her zog, wurde nun beim ruhigen Warten auch ruhiger. Als wir an der Reihe waren, um einzusteigen, machte er sofort einen Riesensatz in den Waggon! Ich lobte ihn ausgiebig!

Klasse! Das war nicht schlecht. Er hatte also gut gelernt.

Wir wanderten durch einige Waggons, um einen Sitzplatz zu finden. Das war kein Problem.

Schließlich fand ich einen leeren Sitzplatz, und Balu legte sich wieder zum gemütlichem Schlaf nieder. Tja, und das war’s. Er schlief bis zur Ankunft in Dortmund, wo mich mein Mann, der dort geschäftlich zu tun hatte, mit dem Auto abholte, durch.

Die meisten Reisenden stiegen amüsiert oder stur blickend über ihn hinweg. Nur wenige gab es, die sich ernsthaft beschwerten und verlangten, dass der Hund „aus dem Weg geräumt“ werden sollte. Aber es gibt eben nicht nur Hundefreunde oder wohlwollende Mitmenschen.

Das ist ja allen Hundebesitzern, besonders seit der zum Teil merkwürdigen Gesetzgebung in Sachen Hund, Leinenführigkeit und Maulkorbzwang, hinlänglich bekannt.

Manche Personen ekeln sich auch zu Tode, oder tun wenigstens so, wenn der Hund sie mal zufällig mit der Nase berührt oder ihnen zu nahe kommt. Auch das erlebten wir.

Wie gut, dass sich Balu S. nichts aus dem Gekreische dieser „netten“ Mitmenschen macht, das dann manchmal losbricht.......

Er bezog es sicherlich nicht auf sich, denn er hat bisher absolutes Vertrauen zu Menschen, da er mit ihnen noch keinerlei schlechte Erfahrungen gemacht hat.

Es gab ja auch genug Mitreisende, die ihn immer wieder mal liebevoll streichelten. Und das zählt schließlich! Er dankte es immer mit freundlichem Wedeln oder auch Lecken der Hände.

Ja, so ging unsere kleine Wochenend-Reise super zu Ende.

Als wir aus dem Zug stiegen, war Balu S. ganz freudig überrascht, dort auf dem Bahnsteig meinen Mann vorzufinden, den er begeistert begrüßte.

Nach einer letzten Autofahrt und einem Restaurant Besuch als Abschluss hatten wir auch dieses Abenteuer erfolgreich bestanden.

Der nächste Tag zeigte uns einen sehr agilen Wäller!

Gut ausgeruht, musste mein Mann viel Energie aufbringen, um ihn im Spiel etwas müde zu toben.

Als ich Mittags nach Hause kam, fand ich die Blätter, die ich zur weiteren Verarbeitung aus meinen im Zug gelesenen Zeitschriften am Abend zuvor auf den Tisch gelegt hatte, in tausend Fetzen am Boden in meinem Zimmer verstreut. Dazu ein Rest eines Strauches, den er irgendwo im Garten ausgegraben und nun fein zernagt hatte.

Ja, ein Leben mit einem kleinen Hund wird nie langweilig!

Wie war das noch mit der Tonkugel vor ein paar Tagen?

Sorgfältig hatte Balu S. sie aus dem Blumenbeet entfernt, auf unsere Terrasse getragen und dort   vermutlich  fallen gelassen.

So muss es wohl gewesen sein, denn wir fanden nur Hunderte von Scherben wieder.....

Die wollte er dann auch noch weiter mit seinen Zähnen zerkleinern....

Irgendwie hat es ihm der Ton angetan.

Vielleicht weil hier das Kannenbäckerland, das Land der Tonkrugbäcker, ist?!

Am Abend auch noch des zweiten Tages nach unserer Reise war Balu S. so aufgekratzt, dass er Riesensätze durch das Wohnzimmer bis auf das Sofa machte, und mein Mann, der fast unter seinem Temperament begraben wurde, nur noch laut los lachen konnte.

Ja, sein Repertoire an Energie hielt dann noch tagelang an. So, als ob er sich nach so viel Ruhetagen mal wieder abreagieren musste.

Erst lange Spaziergänge und Tobe-Einheiten in den nächsten Tagen brachten wieder den ausgeglichenen Balu S. zum Vorschein, wie wir ihn kennen.

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